Das Glück der Erde

Ich schlage den Weg zum Wald ein. Wir überqueren die Landstraße, die Sonne steht uns im Rücken. Ein paar wilde Wolken schmücken den Himmel. Es ist warm, aber ich kann den Herbst schon ahnen. Seppe geht fleißig und entschlossen den Weg entlang. Rechts liegt der Dorfrand mit dem Friedhof. Gleich kommen wir bei dem verwahrlosten Bauernhof vorbei. Der Zaun ist mal wieder kaputt und ein Kalb läuft verirrt auf dem Weg herum. Die Mutterkuh schreit. Seppe schaut und prustet, geht aber zügig an der traurigen Szene vorbei. Wir verlassen den Weg und nehmen das Stoppelfeld. Antraben, schnell hier vorbei, weiter zum Wald! Hinter dem Hof ist der Weg umsäumt von Hecken. Seppe trabt fleißig bergan, er kennt den Weg.
Am Waldrand biegen wir rechts ab, und folgen dem befestigten Weg entlang des Waldes. Ein wunderschöner Weg, von Spaziergängern, Joggern und Radfahrern gern genutzt. Im Rücken liegt mein Dorf im Tal, dahinter habe ich einen wunderschönen Blick auf das Taunuspanorama, der Feldberg grüßt herüber. Aber wir wollen erst mal in den Wald und lassen den schönen Blick hinter uns. Wir traben wieder ein Stück am Waldrand entlang als der Weg nicht mehr abschüssig ist und biegen in den Wald ab. Auf einem weichen Weg, der eigentlich mehr ein Wildpfad ist, streifen wir im Schritt durch den dichten Wald. Seppe duckt sich unter Ästen entlang und schlängelt sich um Pfützen, Wühlstellen der Wildschweine und kleine Büsche herum. Der Wald riecht nach Pilzen. Ein Eichelhäher ruft, er meldet uns Störenfriede. Plötzlich stehen wir vor einer sehr großen Pfütze, so breit wie der Weg, schlammige Ränder, verziert mit den Fußabdrücken von Rehen und Wildschweinen. Hier ist also die Bar, hier wir getrunken und gebadet. Seppe traut sich nicht hindurch und ich halte es auch für sinnvoller das Loch zu umgehen. Wir schlagen uns durchs Unterholz, ducken uns unter Ästen hindurch und klettern über liegende Baumstämme und Büsche. Trittsicher und mutig sucht mein schwarzer Freund sich seinen Weg. Dann geht’s weiter und der Pfad trifft auf einen befestigten Weg. Wir biegen in Richtung Heimat ab. Ich lasse Seppe traben. Anfangs ist er zögerlich, der Weg ist geschottert, aber es hat geregnet und der Boden ist nicht zu hart. Ich lenke an den belaubten Wegrand und erkläre meinem Zossen wo sein Heckantrieb ist. Seppe gibt Gas, fängt an zu schwingen und tritt raumgreifender. Ich stelle mich in die Steigbügel, sehe die puscheligen Vorderfüsse raumgreifend hervor schwingen. Der Rücken wölbt sich, ich lasse die Zügel lang, mein Pferd läuft frei, dehnt den Hals und fliegt nur so vorwärts im Trab. Was für ein Gefühl!!! Ich kann seine Freude spüren, wie ein Funke der überfliegt. Als wir den Waldrand erreichen, haben wir beide ein breites Grinsen im Gesicht. Der Wald gibt wieder den Blick aufs Dorf und den darüber liegenden Feldberg frei. Ich liebe diese Aussicht!! Wir nehmen nicht den befestigten Spazierweg sondern bleiben im Waldsaum auf einem Trampelpfad. Mein Pferd läuft am langen Zügel entspannt auf dem schmalen Pfad. Tritt über Wurzeln, weicht Bäumen und Ästen aus. Immer achtsam, dass meine Knie nirgendwo hängen bleiben. Ich ducke mich auf seinen Hals, die Äste schlagen gegen meinen Helm. Seppe hat die Führung. Ich lasse mich tragen, er sucht sich seinen Weg und bringt mich sicher aus dem Wald heraus. Am Ende des Waldes müssen wir wieder über die Landstraße. Dahinter liegt ein Grillplatz auf einer Streuobstwiese, der mit merkwürdiger Dekoration versehen ist. Seppe läuft gelassen an den seltsamen Gestalten vorbei. Ich schaue auf die Uhr, wir haben noch Zeit. Ich habe das große Stoppelfeld auf dem Bergkamm im Kopf. Wir verlassen dem Heimweg also nach rechts auf einen Wiesenweg. Wir traben an und ich gebe eine Galopphilfe. Die ersten Sprünge sind zögerlich. Wir sind noch nicht oft draußen galoppiert und jeder Sprung gleicht einer Frage: „Darf ich? Wirklich?“ Ich ermuntere ihn und er greift aus. Sein mächtiger Hals wölbt sich, der Wind hier oben am Bergkamm ist stärker, greift in die Mähne, saust in den Ohren. Viel zu früh ist der Weg zu Ende. Auf ein leises „Brrr“ wird sofort durchpariert. Wir reiten im Schritt am langen Zügel gemütlich den Berg hinunter ins Tal in Richtung Stoppelfeld. Seppe scheint zu wissen was kommt. Als wir das Feld betreten richtet er sich auf. Wir traben gesittet und langsam den Berg hoch. Als ich das Gefühl habe, der Moral genüge getan zu haben, lasse ich ihn angaloppieren. Er springt kraftvoll bergauf aber ich merke, dass es ihn doch anstrengt. Ich wende links ab und lasse ihn auf dem graden Feld vorwärts galoppieren. Schwungvoll greift er aus. Der Spaß springt wieder wie ein Funke über. Welch ein Gefühl! Ein Jubeln wandert aus dem Bauch in meine Kehle. Was für ein tolles Pferd, welch ein Glück!!
Nach dem Galopp über das lange Feld falle ich meinem schwarzen Freund um den Hals vor Freude. Wir machen uns gemeinsam auf den Heimweg. Am langen Zügel geht’s durch die Felder bergab zum Dorf. Vorbei am Vogelwäldchen, Apfelbäumen und Sonnenblumen, dem Bolzplatz für die Kinder und dem Funcourt für die Skater. Die Sonne scheint, vor mir liegt das Dorf und dahinter der Taunus, mein Blick bleibt am Feldberg hängen. Wie schön!
Als wir nach Hause kommen werden wir überschwänglich von Seppes Freund begrüßt.


Danke lieber Seppel, Du bist großartig!!! Mit Dir geht für mich ein Lebenstraum in Erfüllung!!